Wels (pts039/11.05.2020/14:30) – Die Casinos Austria präsentieren ihre Spielerschutz-Maßnahmen als effektiv und streng. Europaweit auf einem sehr hohen Niveau sollen sie sein, die Vorkehrungen, die Süchtige schützen sollten. Wie diese Versprechen in der Praxis umgesetzt werden, legen wir nun dank eines uns vorliegenden Gerichtsprotokolls offen. Die Schutzmaßnahmen sind extrem löchrig.
Teil 5 unserer Serie zum Thema Glücksspiel und Spielerschutz in Österreich:
Einzelfälle
Immer wieder werden Fälle bekannt, von Spielsüchtigen, die ihre Existenz verspielt haben. Die Glückspielbetreiber reagieren dazu meist gelassen, sprechen gar von Einzelfällen. Oft verstummen die zu diesem Zeitpunkt aufgetauchten, kritischen Stimmen von Medien und Politik sehr rasch wieder. Und das Spiel mit dem Pech der Menschen kann öffentlich unbemerkt weitergehen, bis zum nächsten „Einzelfall“. Umso wichtiger wäre eine Einzelfall-Prüfung der Spielerschutz-Maßnahmen für alle Glücksspielbetreiber. Diese existiert jedoch nicht, wie wir vor Kurzem berichtet haben.
Verharmlosung
In einem uns vorliegenden Gerichtsprotokoll einer Verhandlung, bei der ein Spielsüchtiger die Casinos Austria auf Rückzahlung seiner Spielverluste geklagt hatte, kommen brisante Aussagen zu Tage. Aussagen und Ansichten von jener Person, die bis Ende 2019 für den Spielerschutz der Casinos Austria Gruppe hauptverantwortlich war. Daraus lässt sich entnehmen, dass Spielerschutz besonders im Marketing gut zur Anwendung kommt, in der Realität zum Schutz der Gäste aber nur wenig effektiv ist.
Besuchsbeschränkungen, die keinen Schutz bieten
Eine beliebte Spielerschutzmaßnahme bei den Casinos Austria scheint die sogenannte Besuchsbeschränkung zu sein. Gäste, die sehr oft zu Gast sind und hohe Verluste aufweisen, werden unter Umständen mit einer Beschränkung belegt. Dadurch ist für den Gast der Zutritt auf eine definierte Anzahl von Zutritten pro Monat zum Casino beschränkt. Soweit die Theorie.
Es muss außerdem festgehalten werden, dass zu dem Zeitpunkt, an dem eine Besuchsbeschränkung ausgesprochen wird, das Suchtverhalten wohl in so gut wie jedem Fall bereits soweit fortgeschritten ist, dass nur eine Totalsperre dem Spieler wirklich helfen würde. Aber auch nur dann, wenn diese dann österreichweit zeitgleich bei allen Glücksspielbetreibern aktiv wäre. Doch eine zentrale Sperrdatenbank existiert nach über 10 Jahren immer noch nicht, wie wir zuletzt berichteten.
Im Gerichtssaal wird mit harten Bandagen gekämpft
Der Inhalt des Protokolls der Gerichtsverhandlung, welches uns vorliegt, ist brisant. Der Kläger und frühere Gast mehrerer Casinos-Standorte hatte eine aufrechte Besuchsbeschränkung und war so in der Häufigkeit seiner möglichen Casinobesuche beschränkt worden. Doch anstatt von seinen maximal möglichen Zutritten pro Monat war er, entgegen der getroffenen Schutzmaßnahmen seitens Casino Austria, öfters als vorgesehen in seinem Stammcasino. An weiteren Casinos Austria-Standorten war der Kläger im selben Monat noch zusätzlich.
Geschenkte Vorzüge
Der Leiter des Spielerschutzes bei den Casinos Austria argumentierte, dass es auch Vorzüge aus den Folgemonaten geben kann. Diese müssen zu einem späteren Zeitpunkt wieder ausgeglichen werden. Interessant sind jedoch die „geschenkten Vorzüge“, die wie sich erahnen lässt, geschenkt sind und somit zusätzlich vergeben werden.
„Geschenkter Vorgriff bedeutet, dass einem Kunden mehr Zutritte ermöglicht wurden, als eigentlich von uns als zulässig angewiesen. Grundsätzlich sind solche Vorgriffe nicht zu beanstanden“, so F., Leiter der Spielerschutz-Abteilung der Casinos Austria, in seiner Zeugenaussage vor Gericht.
Wir haben die Casinos Austria diesbezüglich um Stellungnahme gebeten, unsere Anfrage blieb jedoch unbeantwortet.
Hat das nachträgliche Ausweiten von gesetzten Besuchsbeschränkungen, im Rahmen von geschenkten Vorgriffen, System?
Es macht für uns den Eindruck, als hätte das Schenken von Vorgriffen, also zusätzlichen Zutritten, System. Dem Verein Spielerhilfe sind außerdem weitere Fälle von Spielern bekannt, die trotz ausgeschöpften Zutrittsmöglichkeiten das Casino weiterhin betreten durften. Es wurden auch in diesen Fällen weitere Zutritte erlaubt. Der Leiter der Spielerschutzabteilung, wir nennen ihn F. – wir haben erst kürzlich berichtet – ist außerdem seit mehr als 37 Jahren bei den Casinos Austria tätig. Ein Anfangsfehler eines Mitarbeiters kann es also nicht gewesen sein, dieser „Einzelfall“.
„Auf Grund meiner [ … ] Erfahrung in diesem Beruf kann ich sagen, dass es keinen Sinn gemacht hätte, den Kläger zur Gänze [ … ] zu sperren, [ … ] weil er diesfalls eine rege Reisetätigkeit entfaltet hätte“, begründet F. das Setzen der Besuchsbeschränkung, anstatt einer Totalsperre des offensichtlich spielsüchtigen Klägers.
Dem Spieler wollte man damit wohl einen Gefallen tun und ihm damit weite Fahrwege zu anderen, oder gar fremden Casinos ersparen, man dachte sich dabei möglicherweise: da lassen wir ihn doch lieber bei uns weiterspielen.
Zutritt mit dem Mastercode
Wie dem Verein Spielerhilfe außerdem bekannt wurde, sollen die Guest-Relations-Manager in den Casinos mit einem sogenannten „Mastercode“ ausgestattet sein. Will ein Gast das Casino betreten, welcher aufgrund der Beschränkung laut EDV-System keinen Zutritt mehr bekommen dürfte, kann der Gästemanager mit diesem Code die Sperre umgehen und dem Gast trotzdem Zutritt gewähren.
Das Monopol an der Kippe?
Das staatliche Monopol muss vor allem eines, nämlich einen ausgezeichneten Spielerschutz bieten. Ist der durchgängige Spielerschutz nicht gegeben, ist das Monopol nicht mehr EU-rechtskonform. Zumindest wäre es nun aus unserer Sicht endlich an der Zeit, dies ernsthaft in Betracht zu ziehen und ausführliche interne Prüfungen der Spielerschutz-Vorgänge bei den Casinos Austria durchzuführen. Aus unserer Sicht fühlen sich die Casinos Austria jedoch zu sicher in Ihrem Vorgehen, anstatt an diesem System eine maßgebliche Änderung ernsthaft in Betracht zu ziehen. Die in den Medien und auch unseren Artikeln bekannt gewordene Nähe zum Finanzministerium und der Politik, könnte mitunter ein Grund für diese Haltung sein.
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